Die letzten Tage und Wochen waren sehr intensiv und zeigten mir klar auf, wie nahe Hochs und Tiefs, Siege und Niederlagen, Freud und Leid im Spitzensport beieinander liegen. Eine Zusammenfassung und einige persönliche Gedanken zu den letzten Wochen.
Während knapp drei Wochen hatte ich mich ausgezeichnet im Höhentrainingslager auf die zweite Saisonhälfte vorbereitet. Der Auftakt zum Heimweltcup in Lenzerheide lief dann auch nach Plan – Platz 2 im Short Track. Dass das Ende des Cross-Country-Rennen nicht so lief, wie wir uns das alle gewünscht hätten, ist bekannt.
Was mir allerdings besonders weh tat (neben dem verpassten Sieg), dass mir Absicht, Frust, schlechter Charakter und vieles mehr unterstellt wurde. Wer schon mal Rennen gefahren ist oder sich in die Situation eines Bikers versetzen kann, weiss: man muss Entscheidungen in Sekundenbruchteilen fällen, intuitiv. Und Intuition basiert auf Erfahrung. Niemals würde ich absichtlich oder aus Frust einen Sturz verursachen.
Ich hatte am Sonntagabend gesagt, was zu sagen war. Ich hatte ehrlich und direkt kommuniziert, wie es war, was ich fühlte, dachte und wie ich diesen Rennunfall einordnete. Ich habe auch gesagt, dass es mir leid tut, dass es zum Crash kam. Und auch heute würde ich das gleiche wieder sagen.
Erschreckend: Frust, Aggression, Wut und Hass im Internet
Was danach passierte, hat mich letztendlich aber nachdenklich gestimmt. Wie viele Leute online Frust, Aggression, Wut und Hass schüren und ausüben – und dies alles nur wegen einem Sturz von zwei Mountainbikern, hat mich sehr erschreckt. Zum ersten Mal habe ich persönlich erfahren, wie Wut, Frust oder gar Hass online ausgeübt wird. Dies gegenüber einer Person, die man nicht einmal persönlich kennt und wegen einer Sache, die wirklich nicht allzu relevant ist auf dieser Welt.
Vielleicht hinkt der Vergleich ein wenig, aber auch während der Coronapandemie gab es genau dieses Verhalten zu beobachten. Man kann machen oder sagen, was man will. Gewisse Leute haben einen unbändigen Drang danach, jemanden fertig zu machen. Aus einer Mücke wird ein Elefant gemacht und dies ohne jeglichen Anstand walten zu lassen. Diese Feststellung beschäftigt und beunruhigt mich noch heute. Denn es ist etwas, das uns alle, ja, unsere ganze Gesellschaft betrifft.
Hoch und Tief in Andorra
Dank meinem Umfeld konnte ich mich letztendlich trotzdem in der Folgewoche auf meinen Job konzentrieren. Dass ich das Short Track in Vallnord (Andorra) gewinnen konnte, bedeutete mir extrem viel. Es zeigte mir, dass ich stärker denn je bin. Es zeigte mir, dass meine Freude als Bikeprofi ungebremst ist und dass ich zusammen mit meinem Team und meinem Umfeld weiterhin meinen Weg gehe. Dazu gehört gewinnen, aber dazu gehört auch verlieren.
Dies wurde mir nur zwei Tage später wieder vor Augen geführt. Ich musste auf einen Start am Cross-Country-Rennen verzichten. Bereits am Samstag fühlte ich mich nicht so gut. Leider hatte sich die Situation in der Nacht auf Sonntag nicht verbessert und so haben wir gemeinsam entschieden, das Augenmerk auf den Rest der Saison zu legen und auf einen Start zu verzichten. Die starken Erkältungssymptome haben sich dann leider auch noch nachträglich per Testergebnis als Covid-19-Infektion bestätigt.
Mittlerweile geht es mir wieder besser. Ich habe aber beschlossen, die beiden Übersee-Weltcups in Snowshoe und Mount-Sainte-Anne auszulassen. Den Weg zu meinem grossen Saisonziel, der WM, muss ich nun halt über Umwege gehen.
Danke für eure Unterstützung!
Bis bald, Math